Heimat

Das vergessene Christkind

Hast du schon ‘mal darüber nachgedacht, wie sich ein Christkind im Ruhestand fühlt?

Wahrscheinlich eher nicht, da die wenigsten von euch die Erfahrung machen durften, an leicht angetrunkene Audianer Süßigkeiten zu verteilen, die es womöglich ganz lustig fanden, das Christkind abzuzocken. Natürlich habe ich als Engel vor allem den Kindern ein Leuchten in die Augen gezaubert, was auch wirklich schön war, versteht mich nicht falsch! Doch das Christkind zu sein, hatte auch gewiss auch seinen Preis…

Trinken, während der Arbeit, ist natürlich auch für Himmelswesen, wie ich einst eins war, nicht die hellste Idee. Alleine wegen des täglichen Autofahrens mit Flügeln im Kofferraum und langem, teilweise mit Schmutz verschmiertem, Kleid, in der super konzipierten Autostadt Ingolstadt. Abgesehen davon macht es sich wahrscheinlich auch nicht gut, auf jedem Foto eine rote Nase wie Rudolf the Red Nose Reindeer zu haben und so in die Familienchats mit „Heute haben wir das Christkind getroffen, ach wie schön!“ gepostet zu werden. Eines meiner Highlights war auch das Warten am Parkscheinautomaten, bei dem ich mich regelmäßig rechtfertigen musste, wieso ich nicht einfach nach Hause fliege. Sehr witzig – Ha Ha Ha. Sehr origineller Witz. Hab ich ja noch nie gehört. Ganz abgesehen davon sind mir auf der Bühne regelmäßig vom langen Stehen die Beine eingeschlafen sind.

Rückblickend hat mir das Promidasein als Christkind aber trotzdem super gefallen, was mir jedoch dieses Jahr einige merkwürdige Erfahrungen beschert hat.

Ich hatte mir dieses Jahr – als Christkind im Ruhestand – fest vorgenommen, die Weihnachtszeit zu genießen, da ich ja letztes Jahr – Tag ein Tag aus – die selben Stände gesehen habe. Bei einigen davon frage ich mich übrigens wirklich, wer sich so manchen Gegenstand ernsthaft in seinen vier Wänden aufhängt. „I feel betta with lametta“. – Naja, zurück zum Thema. Ich ging also ganz traditionell am 1. Dezember auf den Christkindlmarkt in Ingolstadt, frohen Gemütes und voller Hoffnung meine Lieblingsschausteller wieder zu treffen, um über die letzten Monate zu plaudern. Doch dann kam alles anders… Es passierte einfach nichts…

Ich weiß, ich weiß, ihr habt jetzt vielleicht ne krasse Story erwartet, aber ich war plötzlich einfach nur ein  Mädchen auf dem Christkindlmarkt. Keiner wollte Fotos mit mir machen, keiner hat mich nach kostenlosen Süßigkeiten gefragt, keiner hat mir freiwillig Platz gemacht, sodass ich mit meinem leuchtenden Gewand und den Flügeln problemlos durch die Menge schwebe konnte. Nicht mal die Schausteller haben mich, eingemummelt in fünf Schichten bestehend aus Wollpullover, die viel zu sehr gekratzt haben, und zwei Winterjacken, erkannt, was mich im Nachhinein nicht mehr so wundert. Also stand ich da, mit meinem 0,2 Liter Glühwein. Als Christkind hat mich der Spaß irgendwie weniger gekostet. Schon leicht angeschwippst, hab ich meinen Blick mal durch die Menschenmasse schweifen lassen und frage mich, wie sich Familien bei der Inflation den Besuch auf dem Weihnachtsmarkt überhaupt noch leisten können. – Ich sehe einen Erwachsenen, der leicht angetrunken ist, einen Jugendlichen mit Bauchtasche, der versucht seine Chayas mit Croptop bei Schneefall zu beeindrucken, eine gestresste Mutter mit ihren Kindern, die magisch von all den Süßigkeiten angezogen werden und von Diabetes noch nie was gehört haben. 

Neben den Besuchern gibt es ja auch noch die Budenbesitzer. Manchmal frage ich mich, wie diese sich wohl nach einer sechsstündigen Bratwurstschicht fühlen. Bekommen die den Wurstgeruch jemals wieder aus ihren Haaren? Die tragen für einen Monat den Duft „Feuerwurst extra scharf“, „Steaksemmel“ oder „ Flammlachs“. Da kommen die Mandelverkäufer schon besser weg. – Doch wisst ihr, wer mir am meisten leid tut? Die Verkäufer, die ihren Stand gegenüber von dem Karussell haben. Acht Stunden Weihnachts- und Kinderlieder und das nicht nur einen Tag, nein, 30 Tage. Ich glaube, ich könnte die Lieder nicht mehr hören.

Trotz all den schrecklichen Dingen, die im Moment auf der Welt passieren, bin ich doch immer wieder froh, wenn uns die Weihnachtszeit ereilt. Klar, von dem Geschenkestress und den verpflichtenden Weihnachtsfeiern mal abgesehen, werden wir alle bei dem Anblick von schön geschmückten Städten und Schneefall wieder zu kleinen Kindern, die es kaum abwarten können, im Schnee spazieren zu gehen oder mit der Familie das Fest der Freude zu feiern. Und, um ehrlich zu sein, finde ich es dieses Jahr zur Weihnachtszeit gerade schön, die stille (und manchmal auch stressige) Zeit mit meinen Freunden in der Schule und meiner Familie zuhause zu verbringen, denn das ist schließlich der eigentliche Grund, wieso wir Weihnachten feiern. Freundschaft und Liebe! Ich weiß, dass der Schluss bisschen kitschig ist, aber Google hat gesagt, dass ich noch einen Appell brauche.

In dem Sinne: Frohe Weihnachten! 

Text und Bild von: Antonia Schrey

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