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In der rechten Umlaufbahn

ein Kommentar von Lorenz Schlungerer

Ein Superreicher, besessen von der Eroberung des Weltraums. Besitzer einer privaten Raumfahrtfirma. Diese produziert in Zusammenarbeit mit der NASA für die US-Regierung die fortschrittlichsten Transportmittel, um ins All zu gelangen. Für ihn ist die Eroberung des Weltraums „entscheidend für den Fortbestand der menschlichen Rasse“. Wer zu dieser „Rasse“ gehört, entscheidet allerdings allein er. Er hat „nur das nicht, was er nicht will“, so sein Assistent. Nur ein soziales Netzwerk besitzt er nicht – dafür ist Hugo Drax um die 30 Jahre zu früh dran. Er ist der James-Bond-Bösewicht aus dem 70er-Jahre-Film Moonraker – einem der Teile, die auf den ersten Blick eher schlecht gealtert sind und es mit den Gesetzen der Physik nicht allzu genau nehmen (Laserschlacht im Weltraum).

In der ersten halben Stunde dieses beinahe 50 Jahre alten, schon fast vor billigem Sexismus triefenden Films kommt man aber doch nicht umhin, gewisse Parallelen zu dem heute reichsten Menschen der Welt zu sehen. Bevor dieser allerdings in seinem Cybertruck scharf nach rechts abbog, baute er hauptsächlich E-Autos – deren Qualität gelegentlich zu wünschen übrig ließ – und schoss Raketen ins All. Außerdem hat er mit Joe Rogan (auch so ein Spezialist) im Podcast gekifft und seinem Sohn einen komischen Namen gegeben. Von Gewerkschaften und geregelten Arbeitszeiten für Mitarbeiter war er auch damals eher kein Fan. Das aber hält bekanntlich so manche Wannabe-Finanzbros und Kapitalismus-Ultras nicht davon ab, ihn wie einen Gott zu verehren. Da werden doch auch gerne die gefühlt tausend unerfüllten Versprechen und Schrottideen unter den Tisch gekehrt (Stichwort: Hyperloop).

Dann kaufte er Twitter – schon immer nicht der friedlichste aller Orte – und verwandelte es in die rechte Hetzmaschinerie „X“. Er behauptete, es werde keine Zensur mehr geben (gab es nie), denn jetzt herrsche „Free Speech“. Endlich kann man ungebremst den Holocaust leugnen und Falschnachrichten am laufenden Band verbreiten, ohne dass sie jemand löscht. Da kann man sich ja denken, wem das gefällt. Kleiner Tipp: rote Kappe, orange Haut und ein eher flexibles Verhältnis zur Wahrheit. Sogar so sehr, dass er ursprünglich von Twitter entfernt wurde.

Die einzig logische Folge all dessen war also, dass er sich in der heißen Phase des US-Wahlkampfs öffentlich auf die Seite von Donald Trump stellte – sein bisher bestes Investment. Er geht all in. Das komplette Programm: Mit einer MAGA-Cap springt er wie ein hyperaktives Kleinkind auf der Bühne neben Trump herum. Unter tatkräftiger Mithilfe von ihm ist Trump nun wiedergewählt worden und somit der mächtigste Mann der Welt. Unser Milliardär steht damit ebenfalls im Zentrum der Macht. Neben ihm sind auch andere Milliardärskollegen anwesend. Sie alle machen den Kniefall vor dem neuen König von Amerika – aus Angst, dass er sie vielleicht als Feinde einstuft, weil sie zum Beispiel die liberale Washington Post besitzen (Bezos) oder Faktenchecker auf ihren sozialen Medien haben (Zuckerberg).

Aber jetzt ist Schluss mit dem linksextremen Woke-Wahnsinn. Der Redaktion wird einfach verboten, eine Wahlempfehlung für die Demokraten auszusprechen (Stichwort: Free Speech), und Facebook sowie Instagram schaffen kurzerhand ihre Faktenchecks ab. Am Ende greifen die Milliardäre nach der Macht und buckeln vor dem Herrscher.

Bei der Amtseinführung sitzen sie in der ersten Reihe. Neben dem Reichsten sind Zuckerberg (Meta), Pichai (Google), Bezos (Amazon) und Cook (Apple) dabei. Zusammen besitzen diese fünf Männer mehr als eine Billion Dollar – tausend Milliarden, eine Million Millionen. Das ist die Konzentration des Kapitals. Sie sitzen dort aus zwei Gründen: Geld und Treue. Die gewählten Volksvertreter dagegen müssen im Parkett Platz nehmen, die Kabinettsmitglieder in den hinteren Reihen. Da kann man schon mal vergessen, dass die USA eigentlich eine Demokratie sind, in der man ein Mandat vom Volk zugesprochen bekommt und sich nicht einfach einkauft. Der Reichste bekommt sogar seine eigene Pseudo-Behörde. Mit DODGE (Abteilung für effizientes Regieren) kann er Zehntausende Beamte entlassen, deregulieren, was das Zeug hält, Umweltstandards, Ethikregeln und Arbeitnehmerrechte abbauen.

Aber natürlich reicht das noch nicht. Wem sind die USA denn schon genug? Das Erfolgsrezept lässt sich doch kopieren. „Only AfD can save Germany“, der Bundespräsident ist ein „antidemokratischer Tyrann“, Habeck ein „Volksverräter“ und SPD-Chef Klingbeil will wie Putin „Deutschland schwächen und ins Chaos stürzen“. Parolen, die man eher auf einem „Spaziergang“ mit Reichsflagge in Ostthüringen erwarten würde, werden jetzt mit über 200 Millionen Followern auf X vom Besitzer höchstpersönlich geteilt. Natürlich wird auch gleich noch ein „Interview“ mit Alice Weidel geführt. Wenn man beim Zuhören nicht gerade einen Schreikrampf erleidet – wegen der geballten Dummheit, die beide Gesprächspartner an den Tag legen – und man nicht an Weidels erstaunlich schlechtem Englisch verzweifelt, kann man einiges aus dem Gespräch herausziehen.

Die Highlights von Weidel: Hitler war Kommunist und eigentlich links (egal, dass er Kommunisten ins KZ gesteckt hat), an Schulen in Deutschland werden nur noch Gender Studies unterrichtet (wenn das nur Markus Söder erfährt), und wir werden alle sozialistisch indoktriniert. Warum sollte man dem widersprechen? Interessanter wäre es vielleicht gewesen zu erfahren, was der Besitzer einer Automarke, die ausschließlich E-Autos herstellt, davon hält, dass die AfD alle Förderungen für diese streichen will. Auch lässt sich nicht so ganz erschließen, warum er denn denkt, dass nur die AfD Deutschland retten kann.

In einem Gastbeitrag bei der Welt nennt er Bürokratieabbau, Deregulierung und Steuersenkungen. Das allerdings findet man auch im Wahlprogramm der FDP und der Union. Und mal ganz ehrlich: WARUM GLAUBT DIESE TRAURIGE GESTALT ÜBERHAUPT, ZU WISSEN, WAS DEUTSCHLAND GUTTUT? Oder wie würde man sonst jemanden nennen, der extra Leute bezahlt, damit sie unter seinem Namen in Computerspielen unter die Besten kommen?

Und was man in Deutschland macht, kann man doch auch überall auf der Welt machen. In Großbritannien mal ordentlich die rechtspopulistische Reform UK unterstützen, und die Verbindung zu Südamerikas anarchokapitalistischem, rechtslibertärem Millei ist ja seit jeher gut.

Aber zurück in die USA. Sein großer Auftritt ist gekommen. Als Trump in seiner Antrittsrede die Besiedelung des Mars erwähnt, würde er am liebsten schon einen Salto vor Glück machen. Doch jetzt darf er selbst ran – in der prall gefüllten Capital One Arena, kurz nach der Amtseinführung. Vor ein paar Absperrgittern, die halbherzig mit billigen, blauen Bannern bedruckt sind – weiße Sterne darauf – und komischerweise mitten auf der Bühne herumstehen. Die Rede ist allerdings ziemlich egal. Doch am Ende bedankt er sich bei allen: „My heart goes out to you.“ Er fasst sich dabei ans Herz – und macht eiskalt, ohne jede Not, den Hitlergruß.

Ist er jetzt auch noch Kommunist? Egal. Die Zuschauer jubeln auf jeden Fall.

So nah wie jetzt war er seinem größten Traum, der Besiedelung des Mars, noch nie. Vielleicht hat ihn die Freude darüber einfach überrumpelt.

Hugo Drax wurde übrigens kurz vor seinem Ziel von James Bond aus der Luftschleuse seiner Raumstation in die Weiten des Weltraums entlassen. Mal sehen, wie weit Elon Musk kommt.

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